12. Den eigenen Einsichten Taten folgen lassen – mehr als nur ein schöner Traum?

Es gibt kaum etwas Frustrierenderes als den Vergleich zwischen dem eigenen Umweltwissen und dem dazu gehörenden eigenen Handeln. Das gilt in gleicher Weise für das Wissen um Zwischenmenschliches und dem eigenen Alltagshandeln. Ökosoziales Handeln scheint bei uns allzu oft zum Scheitern verurteilt zu sein. Leicht fühlen wir uns wie ohnmächtig, Änderungen zum Besseren hinzubekommen.

Wie kommt das? Wir verfügen über verschiedene Wahrnehmungsweisen:

  • Grob vereinfacht sagt uns die eine ‚Brille‘, was uns im Augenblick den besten oder meisten Nutzen einbringt.  Sie folgt unbeirrt unseren augenblicklichen Willens-Impulsen.Hier geht es mit klarem Blick nach vorne gerichtet auf ein Ziel zu. So kommen wir mit dem geringsten Aufwand und am schnellsten zu dem, was uns gerade ‚am besten passt‘ – zielstrebig und flott. Genau darin liegt die größte Stärke dieser auf Erfolg ausgerichteten Sichtweise. Ihre besondere Schwäche liegt in einer gewissen Rücksichtslosigkeit – uns selbst und der gesamten Mitwelt gegenüber. Das blendet automatisch aus, was unser Tun und Lassen für Mitmenschen und die gesamte Mitwelt bedeutet, ja sogar für die eigene langfristige Gesundheit. Auf dem sozialen und dem ökologischen Feld sind wir mit dieser Sichtweise so gut wie blind. Ihre Alltags-Strategie: Was ist jetzt das Beste/Schönste/Reizvollste/Geilste für mich? Wir handeln hier in der Regel aus dem alltäglichen ‚Autopiloten‘ heraus – aus Routinen, die wir von klein an gelernt, trainiert und automatisiert haben bzw. aus biologischen Routinen heraus. Denken und umsichtiges Bewerten bleiben dabei so gut wie ausgeschaltet und ‚außen vor‘. Nur so geht eben rascher eigener Erfolg – aber einhergehend mit allen uns bekannten skandalösen Begleiterscheinungen auf unserem Planeten, wenn diese Sichtweise im Alltag allgemein vorherrschend ist.
  • Die andere ‚Brille‘ verkörpert unsere Sicht auf das ‚große Ganze‘. Sie betrachtet uns als Wesen, das mit einem Kosmos vernetzt ist, dessen Wohlergehen Grundlage für die eigene Existenz ist. Sie fragt nach dem, wie sich das eigene Tun und Lassen langfristig auswirkt – welchen Nutzen und Schaden es für mich selbst, für Mitmenschen, Tiere, Pflanzen und den gesamten Planeten hat. Da wird es oft nichts mit raschen Ergebnissen und einfachen Antworten, die im Alltag wie automatisch umgesetzt werden. Der weite Blick – im Volksmund auch ‚Rücksicht‘ oder ‚Umsichtigkeit‘ genannt – bedarf mehr Aufwand an Zeit und Energie. Darum sind aus Sicht der Ökologie und der Mitmenschlichkeit hier viel nachhaltigere Resultate möglich, weil sie nicht so viele ‚unerwünschte Nebenwirkungen‘ mit sich bringen. Der Nachteil: Der Aufwand ist viel größer und darum auch der persönliche, geistig-seelische Energie-Einsatz zum Überwinden von Hindernissen. Ihre Alltags-Strategie: Was bringt mir Nutzen, ohne an anderer Stelle für mich und in meiner Mitwelt unnötigen Schaden zu verursachen? So gut, sozial, diplomatisch, rücksichtsvoll und dergleichen diese Sichtweise ist, so langsam und aufwändig ist sie gleichzeitig und für automatisches, rasches Alltagshandeln geradezu eher kontraproduktiv. Wer zu viel nachdenkt und mitfühlt, dessen Bedürfnisse kommen in unserem vorherrschenden Alltag oft zu kurz – es sei denn, andere Mitwesen fühlen sich denen verbunden, was heute allgemein eher nicht üblich ist.

Gesellschaften, in denen ältere, erfahrene Menschen wertgeschätzt werden, tun sich mit diesem umsichtigen Blick leichter als unsere ‚westlich‘ orientierten, auf Jugendlichkeit fixierte hochgeschwindigkeits-verliebte Gesellschaften, in denen wir aktuell leben. Gibt es dennoch Hoffnung? Gibt es Tipps für mehr Erfolg auf diesem Gebiet, die sich leicht umsetzen lassen? Lassen sich diese beiden, jeder für sich wertvolle ‚Kontrahenten‘ brauchbar miteinander vereinbaren? Kann ich rasche Erfolge und Ökosoziales erfolgreich zusammen bringen?

Du ahnst es längst – es ist nicht so einfach, wie es uns unsere vorherrschende Brille der schnellen Erfolge erwarten lässt. Ohne Geduld mit uns und unserer Mitwelt wird es nicht gehen:

  • Das geht nur, wenn wir im eigenen Inneren der ‚anderen Brille‘ deutlich mehr Raum zu geben bereit sind, als es in einer Erfolgsgesellschaft wie der unseren üblich ist und erwartet wird.
  • Das geht auch dann nur, wenn du dich in deiner Mitwelt auf die Suche nach Mitmenschen bzw. Strukturen machst und dich mit ihnen verbindest, die ebenfalls mitfühlender, weniger kurzsichtig und umsichtiger mit sich selbst und mit ihrer Mitwelt umgehen.
  1. Nicht umsonst fühlen wir uns in einem weitgehend intakten Wald, an einem klaren Bach oder einer gesunden Berglandschaft wohler als in künstlichen Umgebungen mit viel Verkehr, Lärm und anderen Stressoren. In relativ gesunden natürlichen Umgebungen wollen wir darum auch gerne unsere freie Zeit verbringen – vor allem dann, wenn wir uns erholen wollen. Eine ihren natürlichen Abläufen folgende Umgebung wirkt ausgleichend auf den gesamten Organismus. Sie will nichts von uns. In ihr dürfen wir einfach sein, so wie wir gerade sind. Wir fühlen uns in ihr spontan wohl. Sie empfinden wir als passend zu uns und uns passend zu ihr. Klar: Wir fühlen dabei unmittelbaren Kontakt mit dem großen Ganzen, mit und in dem wir leben und gesund gedeihen können, wenn wir diesen Bezug im eigenen Alltag nicht immer wieder zu sehr verlieren.

Hier liegt denn auch ein wesentlicher Türöffner für ein einvernehmliches Zusammenkommen dieser beiden Wahrnehmungsweisen: Was passt uns an einer gesunden natürlichen Umgebung so gut? Sie ist farbig, abwechslungsreich, anregend, freundlich – was aber auch mit sich bringt, dass sie ihre Eigengesetzlichkeiten hat und diese zu bewahren bemüht ist. Sie will ‚belassen‘ werden und nicht durch ihr Unpassendes gestresst sein.

Verkehrsadern und deren Lärm wie auch Luftbelastungen stressen uns und alle andere Natur.

2. Wir sind selbst Naturwesen und nicht mechanisierte bzw. digitalisierte Kunstwesen – auch wenn uns daran wohl verdienende Konzerne wie auch (über ihre Steuereinnahmen bereicherte) Staaten mit Macht und Nachdruck ein anderes Bild vermitteln wollen. Es geht also darum, unserer Verbundenheit mit der eigenen wie auch der äußeren Natur über uns und über unsere Mitmenschen wie auch der weiteren Mitwelt Geltung zu verschaffen.

3. Technik ist wie Gesetze und Normen Mittel zum Zweck der gelingenden eigenen Lebensführung und der des Zusammenlebens. Sie haben dem Leben zu dienen – nicht aber das Leben der Technik, den Gesetzen und den Normen. Leben und dessen Gelingen sind diesen Strukturen übergeordnet, das heißt es ist seinem Sinn nach höherwertig.

Es gilt daher, dem Vorrang gelingenden Lebens zum Beispiel Folgendes unterzuordnen und damit das Leben wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen:

  • das Geld und alles mit ihm Verbundene: Es darf nicht mehr wie heute das Leben auf dem Globus beherrschen und ’seinen Interessen‘ unterwerfen, die in Wirklichkeit nur die Interessen weniger sind, die sich am ‚Rest der Welt‘ nach Belieben bereichern wollen.
  • das Wirtschaften auf allen Ebenen: Interessenausgleich und Wohlergehen für alle Menschen und die gesamte Natur hat hier als oberste Priorität zu stehen. Abhängigkeiten von rein gewinnorientierten Großinvestoren sind dafür absolutes Gift.
  • ein echtes Zusammenleben kleiner und großer Gemeinschaften: Dazu gehört ein Überwinden der Aussonderung augenscheinlicher ‚Sonderlichkeiten‘ wie Behinderung, körperlicher Invalidität oder fortgeschrittener Alterung, deren Platz im allgemeinen Leben der Natur eine Selbstverständlichkeit ist. Soziale Wesen können sich damit verbinden und ein gefühltes Fremdsein im Alltag überwinden. Dafür braucht es nicht unbedingt der ‚Spezialisten‘.
  • eine Ächtung und Abschaffung von Müll als grundsätzlich widernatürlich: Die Natur kennt dieses Phänomen in der von uns entwickelten Form nicht, weil sie so konzentrierte Massen von lebensfeindlichen Überresten mit ihren Mitteln nicht in absehbaren Zeiträumen wieder zu Grundstoffen neuen Lebens umwandeln kann, wie es ihr bei allen natürlichen Überbleibseln selbstverständlich ist. Müll ist nicht nur Weggeworfenes wie Verpackungen oder Verdorbenes. Dazu gehören auch Abgase, Abwässer, Abraum von Bodenschatzgewinnung, Chemierückstände aus Verarbeitungsprozessen, willkürliche ‚Umgestaltung‘ von Naturräumen nach den Interessen von wenigen menschlichen so genannten Entscheidern sowie vieles mehr, was auf die Gesetzmäßigkeiten der Natur als unserer Lebensgrundlage keine Rücksicht nehmen will.
  • die Gesetzgebung sowie zwischenmenschliche Normen: Nicht ‚Ich‘ oder ‚Der Mensch‘ first! Wir sind nur Teile und somit eingeordnet und somit auch teilweise untergeordnet unter den Schutzschirm der natürlichen Gesetzmäßigkeiten, dessen Grundlagen wir nicht weiterhin untergraben und aushöhlen dürfen, wenn unsere Art Bestand in dieser Welt haben soll.
  • die Großstrukturen als Überbau weltumfassenden menschlichen Wirkens: vorrangige Verantwortlichkeit gegenüber dem Leben, den Mitmenschen und der Sicherung natürlicher Lebensgrundlagen gehören vor den kurzfristigen Erfolg gestellt, der heute von Geldgebern gefordert werden kann. Es gilt, diese Strukturen von der Unterwanderung und Korrumpierung durch Kapital- und (politische) Machtinteressen zu befreien.

Das gilt in gleicher Weise auch für die persönliche Ebene jedes Einzelnen von uns, in dem sich die gleichen missständlichen Grundstrukturen äußern:

  • Das gilt z. B. für das Streben nach einem möglichst hohen Geldeinkommen für allumfassende Konsumwünsche, deren Erfüllung zu Billigstpreisen erwartet wird. Ein solches Wirtschaften bedingt sowohl das schnelle weitere Wachstum von Megastrukturen und das Ausbluten weniger stark aufgestellter Akteure. Auch politische Großstrukturen profitieren davon mehr als kleinere. Maß und Genügsamkeit sind zwei wertvolle Ratgeber für persönliche Entscheidungen: Benötige ich das wirklich und wenn ja: wie viel davon?
  • Es gilt, den Wert im Lokalen und Überschaubaren wieder zu entdecken und zu schätzen – auch das Saisonale und das lange Haltbare wie ebenso leicht Reparierbare wie vollständig Wiederverwertbare gehört zu diesen Werten, die jedem von uns viel mehr im Fokus stehen zu stehen hat als das jederzeitige, billige und rasche Verfügen über alles, was mir die Welt als Ganzes ständig bereit zu stellen hat, wie es heute üblich ist.
  • Das Aussondern von allem auffällig ‚Anderen‘ als dem Durchschnittlichen als ‚allgemein nicht brauchbar‘ ist unnatürlich, weil es jedem von uns uns als Babys und als sehr alten Menschen automatisch Teil des eigenen Lebens ist. Krankheit, Unfälle und schwere Schicksalsschläge können uns ebenso ’sonderbar‘ werden lassen wie genetische Defekte. Wir können so nicht das bewirken, was man von einem durchschnittlichen Menschen erwarten kann. Doch jedes menschliche Wesen will Teil der menschlichen Gemeinschaft sein und in der Gesellschaft einen Platz einnehmen können, in dem er/sie sich als wertvoll und sinnvoll erleben kann. Darum jeden Menschen als passend und wertvoll ansehen und behandeln – als Selbstverständlichkeit.
  • Müll ist alles das, was unserer Natur lang andauernde Schäden zufügt. Wir können keinen langfristig wirkenden Unrat aller Art in unserer Umwelt ablassen, wie es in unserer hoch industrialisierten Wirtschaftswelt für uns heute üblich und selbstverständlich ist. Wir müssen uns bedingungslos darin bilden, was Leben fördert und was es beeinträchtigt – sowohl für uns selbst wie auch für alle Mitwelt. So wie eine unregulierte Marktwirtschaft kurzfristige Machtinteressen relativ weniger begünstigt und die vitalen Lebensinteressen der absoluten Mehrheit allen Lebens missachtet bzw. ausbeutet, so wertet auch jedes ‚Mitmachen‘ oder ‚Mitspielen‘ in diesem System lebensfeindlich. Wir haben uns und anderen gegenüber unbequemer zu werden. Auch von unseren Anführern jeglicher Art haben wir das zu erwarten und einzufordern. Doch unser eigenes Umdenken und neues Handeln ist der Anfang von allem. Alles andere wäre billige Ausrede, weil es diese Last ausschließlich auf andere verschiebt. Unsere heute hoch bezahlten Anführer sind dem vorherrschenden Wirtschafts-, Geld- und Machtgefüge stark ausgesetzt und darum noch wenig verantwortungsbewusst in ihrem Handeln, dem starke Gegenkräfte entgegen wirken, die einen ökosozialen Wandel absolut nicht wollen.
  • Es liegt an uns selbst, den Mitmenschen durch unser Alltagshandeln zu zeigen, dass wir ernsthaft an einem solchen Wandel interessiert sind. Es liegt an unseren Zusammenschlüssen, diesem Wandel Kraft zu verleihen und das Prinzip der Verantwortlichkeit auch in die Führungsetagen von Wirtschaft und Politik hinein zu tragen.
  • Doch das kann Spaß machen, wenn wir uns selbst den Naturgesetzlichkeiten neu verbinden, weil es sich positiv auf uns selbst und auf die eigene Umgebung auswirkt. Das ist zwar langsamer Erfolg, aber einer, der unser Leben bunter, vielfältiger und reicher im Sinne von Zufriedenheit und Lebensglück werden lässt. Viel Geld beruhigt zwar, weil es Käufliches leicht verfügbar macht, aber gelingende Beziehungen und eine gesunde Mitwelt lassen sich auch mit Milliarden nicht bewirken, wenn dazu nicht auch ein anderes Denken, Fühlen und Handeln hinzutritt. Mit viel Geld bleibt der Mensch sonst weitgehend auf das Materielle beschränkt bleibt. Soziale und ökologische Zugänge bleiben bei dieser Art von kultureller Behinderung oder Scheuklappenblick weitgehend verschlossen, was dem eigenen sowie dem allgemeinen Lebensglück unnötige Grenzen auferlegt. Glück und Gesundheit liegen nahe beieinander, wie viele bescheidene, klar denkende und handelnde Menschen seit Jahrtausenden vorleben. Materieller Reichtum dagegen fördert eher Abschottung gegenüber denen, mit denen man diesen eventuell teilen müsste. Eine solche Abneigung dagegen bis hin zur Angst davor ist wahrhaft krankhaft, nämlich geisteskrank und herzlos.